Bloggen über Depression

Mein vorerst letzter Eintrag wird zum einen über die Thematik Depression und zum anderen über das Bloggen selbst gehen.

Diese interessante Aufgabe zur Erstellung eines Blogs hat mir sehr Spaß gemacht. Man gewöhnt sich mit der Zeit daran, immer wieder mal reinzuschauen und auch andere Blogs zu verfolgen. Für mich, die sich weder mit WordPress noch sonst mit dem Bloggen beschäftigt hat, war es zu Beginn nicht einfach, überhaupt erst einmal eine Seite zu erstellen. Hinzu kommt der Zeitfaktor; selbst wenn ich meine Einträge vorgeschrieben habe, hat es noch ewig gedauert, bis sie schließlich online waren. Hier ein Bild, da ein Link und dann noch ein Video hinterher. Dann ist da noch der Punkt des „öffentlichen Schreibens“. Hier sah ich zu Beginn das Problem, denn die ganze Welt sollte sehen, was ich schreibe? Nun, hätte es sich nicht um eine Krankheit, Depression nämlich, gehandelt, wäre es mir bestimmt zu Beginn etwas einfacher gefallen. Die Thematik hat mich teilweise sehr stark mitgenommen und es ist mir nicht immer leicht gefallen, darüber zu schreiben. Besonders zu Beginn fand ich es fast schon „unangebracht“, weil ich mich immer wieder gefragt habe: Was denken Depressive darüber? Ich wollte ihnen keineswegs zu nahe treten, weil ich nicht in ihrer Haut stecke. Abgestumpfte Berichte zum Thema wollte ich aber auch nicht verfassen, weshalb ich den Blog schließlich dazu genutzt habe, Depressionen etwas besser zu verstehen, mit Rücksicht auf die Leidenden. Denn dass ein Blog nicht neutral werden kann, ist klar.

Ich habe versucht über verschiedene Phänomene im Internet zu schreiben und gleichzeitig aber auch Zusammenhänge zu bilden, die wie ein Puzzle zusammengelegt werden können. Es begann mit Beispielen, an denen ich zeigen wollte, welche Macht das Internet hat: falsche Informationen zu verbreiten, aber auch Twitter-Aktionen zu hypen. Die #Notjustsad-Welle kam zu unglaublich passender Zeit, sodass ich schließlich gänzlich dabei blieb, das Internet auf mehr zu untersuchen.

Der Abschnitt „Onlinetherapie“ wurde mein intensivster. Ich habe versucht viele Aspekte zu beleuchten: von den vorhandenen Methoden bis hin zu Meinungen und Berichten. Das Novego-Video und „Web-Therapy“ erlaubten mir ein bisschen mehr medienwissenschaftliche Analyse einzubringen, ohne den roten Faden zu verlieren. Nach so viel Onlinetherapie wurde ich auf die Onlinesucht aufmerksam und diese brachte nochmals einen neuen Aspekt hinzu, dessen Erkundung sehr interessant war und den Kreis geschlossen hat.

Die Thematik Depression ist ziemlich präsent in den Medien, insbesondere wenn sich Prominente als depressiv outen. Das Internet ist voller, teilweise sehr unnützer, Informationen zum Thema, die man sich aber nur anschaut, wenn man persönlich betroffen ist. Ich finde es allgemein sehr schwer, sich vorzustellen, inwiefern man denn wirklich eine Depression bei jemandem diagnostizieren kann… Deshalb würde ich einfach dafür appellieren, dass man sich mehr Gedanken um psychotherapeutische Einrichtungen macht, denn das scheint für mich das größte Problem: die Behandlung dieser Krankheiten. Wir brauchen eine bessere Struktur für psychisch-kranke Menschen, egal ob es eine Depression ist oder eine tiefe Trauer, oder wie auch immer man es nennen mag. Es kann nicht sein, dass wir in einem Land wie Deutschland mindestens volle sechs Monate auf Hilfe warten müssen. Ich hoffe, dass sich dahingehend noch einiges bessern wird.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sage ich: Au revoir! Das Bloggen war eine schöne neue Erfahrung und ich habe mich sehr über jegliches Like, Kommentar und insbesondere JEDEN Follower gefreut 🙂

DON`T WORRY, (TRY TO) BE HAPPY

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Selbsthilfe im Internet – eine hoffnungslose Suche?

Dieser Eintrag wird sich mit dem Thema „Selbsthilfe in Foren“ befassen. Ich frage mich: Hilft es den Menschen denn wirklich oder stürzen sie sich damit in eine schwer selektierbare Flut von Informationen? Kann man sich dadurch nicht kranker machen, als man wirklich ist? Kann es einem Depressiven guttun, in einem Forum über seine Krankheit zu schreiben oder zieht es diesen noch stärker herunter? In einem Artikel der Medizinischen Klinik (lizenzbedingt einsehbar) werden die Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren von Selbsthilfe im Internet analysiert. Das Forscher-Team weist zunächst darauf hin, dass Patienten dem Arzt nicht mehr uneingeschränkt vertrauen, sondern das Hinzuziehen des Internets in vielen Fällen gewöhnlich geworden ist. Das muss jedoch nicht immer zum Nachteil für Arzt und Patienten sein, sondern es kann zum Beispiel dem Kranken helfen sich für eine bestimmte Therapie zu entscheiden; so kann der Betroffene Erfahrungen anderer in seine Entscheidung miteinbeziehen. Weiterhin besteht jedoch die Problematik der Seriosität von Websites, weshalb Hilfesuchende sich dringend informieren sollten, wer die Seiten betreibt, von wem sie finanziert werden usw. (vgl. S. 264). Hier sehe ich auch eines der größten Probleme, nämlich die Vertrauenswürdigkeit der Websites. Wenn man sich mal einen meiner ersten Beiträge zum Thema Sissi-Komplex ansieht (einer erfundenen Depression-Unterkategorie), kann man erkennen, wie schnell sich falsche Informationen im Netz verbreiten können. Es gilt also, die vorhandenen Informationen stets als kritisch zu betrachten.

Was sich jedoch wiederum als besonders hilfreich beweisen ließ, ist der Austausch in Foren. Erkrankte lassen sich eher zu einer Psychotherapie motivieren oder schätzen ihre seelische Stabilität allgemein als besser ein (vgl. S. 266). Natürlich ist das Problem der Internetsucht in diesem Zusammenhang wieder ein Thema: „Auf die im Netz gewonnene Vertrautheit kann nicht mehr verzichtet werden. Bei Patienten mit Internetsucht liegen in der Regel schon vor der Entwicklung dieses Suchtverhaltens Störungen im Sozialverhalten vor, insbesondere starke Probleme mit Nähe und Distanz“ (siehe S. 267). Es ist also insbesondere das Vertrauen, was den Erkrankten im echten Leben zu fehlen scheint. Das kann ich auch nachvollziehen, denn gerade Depressionen werden von vielen Menschen als eine Art „Stimmungsschwankung“ beurteilt und nicht als Krankheit wahrgenommen. Dieses Problem zeigte sich auch bei den #notjustsad-Twitter-Hashtags. Es scheint also insbesondere wieder auf das fehlende Verständnis des Umfeldes hinauszulaufen, dass man sich in die virtuellen Welten flüchtet, weil man dort die Akzeptanz und auch Anerkennung der Krankheit erhält.

In diesem Zusammenhang würde ich gerne auf das Forum Depri.ch näher eingehen. Es handelt sich um einen Thread mit dem Thema Hilfe-Forumsucht! butterfly hat diesen Thread erstellt, weil er wissen möchte, wie es anderen im Forum mit ihrem „Forum-Nutzungsverhalten“ geht:

hey irgendwie glaube ich langsam, dass ich eine neue sucht entwickle…..nämlich die depri.ch sucht !!!ja, tönt ja komisch aber ich komm manchmal echt nicht mehr von diesem forum los. geh x-mal pro tag wieder rein……schaue, ob schon geantwortet wurde……tippe wieder eine brennende frage rein

Da butterfly einige Smilies in seinem Text benutzt, wirkte es auf mich zunächst gar nicht so ernst gemeint von ihm. Aber dann schreibt er, dass er langsam Angst hat, dass sein Tagesablauf vom Forum bestimmt werden könnte. Nun, das klingt nach einem seriösen Hilferuf. Er braucht eine Bestätigung, ob sein Verhalten sich im Rahmen des „Normalen“ verhält. Sehr positiv finde ich, dass butterfly, der an Depression leidet, sich Gedanken um sein Verhalten macht. Sein Verhalten reflektieren zu können, kann ihm bei seiner Heilung nur helfen. Was ich noch sehr interessant finde, ist, dass er gerade mal seit 20 Tagen im Forum registriert ist, als er den Beitrag schreibt. Er scheint seitdem wohl wirklich jeden Tag viele Stunden online zu verbringen, sonst wäre er nicht so schnell zu solchen Zweifeln gekommen. Viele antworten ihm, dass dieses Verhalten „normal“ sei und dass man eben nach Antworten sucht und ganz wichtig, dass es ihnen guttut. Sie rechtfertigen ihr Onlineverhalten mit der Begründung, dass es ja etwas Positives mit ihnen macht. Manche machen sich einen Spaß aus dem Begriff „Forumsucht“ und bekennen sich als „Forum-süchtig“, es sei ja immerhin besser als beispielsweise drogensüchtig. Diejenigen, die dem zustimmen, sehen das Forum als so eine enorm große Hilfe, dass es ihnen einfach wert ist, übermäßig oft im Internet/Forum zu sein. Was ich sehr gefährlich finde, ist, dass sie anderen dadurch aber ihr Gewissen im Umgang mit dem Forum nehmen, sodass Menschen, die wirklich alles andere deshalb vernachlässigen, sich dadurch beruhigt fühlen könnten. Es gibt aber auch einige wenige, die zugeben, dass die tägliche Nutzung von Depri.ch sie auch manchmal sehr mitnimmt; so schreibt Marbel

ich möchte Depression nicht zum meinem Hobby machen

und warnt vor übertriebener Auseinandersetzung mit der Krankheit.

Was mir an den Beiträgen auffällt ist, dass die Nutzer sehr oft darüber schreiben, dass es ihnen wichtig ist Antworten zu bekommen, aber auch Antworten zu geben. Das wirkt so, als würde es ihnen Befriedigung verschaffen, dass sie auch etwas zurückgeben können. Das Forum gibt den Erkrankten nicht nur Halt, sondern auch gewissermaßen einen Sinn in ihrem Leben; sodass sie sich fast schon den anderen gegenüber „verpflichtet“ zu fühlen scheinen. Einige betonen auch, wie toll sie es finden im Forum immer wieder neue Menschen kennenzulernen. Ich hoffe, dass sie wissen, dass es sich hierbei nur um virtuelle Freundschaften handelt und diese keineswegs mit dem echten Umgang mit Menschen zu vergleichen ist.

Circa drei Monate nach Erstellung des Threads meldet sich butterfly nochmals zu Wort. Er erzählt, dass es wieder mal sehr schwer ist nicht in das Forum zu schauen und dass er seine Arbeiten kaum zu erledigen schafft. Doch er sieht trotzdem etwas positives an seinem Interesse zu depri.ch:

Hauptsache es interessiert einem ja was….ist ja auch schon mal ein gutes Zeichen 😀 !

Das klingt vielleicht positiv, scheint aber nicht positiv zu sein, denn er gibt inzwischen zu, dass die „Forum-Sucht“ ihn sogar am Arbeiten hindert. Sehr alarmierend, wie ich finde.

Nach dieser Analyse des Threads kann ich sagen, dass es den Betroffenen tatsächlich darum geht, nicht vorhandene „Anerkennung“ im echten Leben online zu erhalten. In der Tat wirken die Nutzer so, als wäre depri.ch ein Teil von ihnen. Wenn es ihnen hilft, finde ich es super, dass wir inzwischen die Möglichkeit haben, uns durch das Internet gegenseitig zu helfen. Aber trotzdem finde ich, sollte man auch dieses Gut in Maßen genießen und uns nicht von der Technologie und Co. einnehmen lassen, um von einem Problem ins Nächste zu schlittern.

Videotipp: Frag ein Klischee

Auf Twitter stoße ich gerade auf eine tolle Video-Reihe von Hyperbole.de. Die Macher der Seite beschreiben sich selbst als „Videonetzwerk für die digitale Generation“. Unter ihren verschiedenen Video-Produktionen gibt es die Reihe „Frag ein Klischee“. Hier darf jeder Fragen einreichen, die dann an bestimmte Personen gestellt werden. Es handelt sich um Fragen, die von teilweise großen Vorurteilen und Klischees geprägt sind. So beantwortet die 27-jährige Jana die Frage, ob sie als eine an Depression leidende Person oft an Suizid denkt.

Ganz ehrlich sprechen hier depressive über Suizid, Kleinwüchsige über den Ausdruck Liliputaner oder eine Muslima über vorehelichen Sex. Pro Video wird eine Frage gestellt. Jana wird in weiteren Videos demnächst auch noch neue Fragen beantworten. Ich bin gespannt.

Schaut’s euch an! Ich habe extra die gesamte Playlist verlinkt, damit ihr euch durchklicken könnt. Ich halte das für einen tollen Weg, um das „Fremde“ oder „Andere“ zu verstehen. Direkt an die Sache ran ! Wir haben manchmal zu viele Berührungsängste mit bestimmten Thematiken, die uns unnötige Schranken gegenüber Anderen stellen und Distanzen aufbauen.

Was haltet ihr von den sehr direkten Videos?

Ein Teufelskreis der Sucht? – Cyberlord.at und depressive Empfindungen

Ist es richtig bei Onlinesucht in einem Online-Forum nach Hilfe zu suchen? Es scheint mir auf den ersten Blick sehr widersprüchlich. Auf Cyberlord.at finde ich eine weitere Möglichkeit der Selbsthilfe im Internet. Es handelt sich um ein Forum, in dem man zu festgelegten Zeiten an einer Beratung oder Gruppengeschprächen teilnehmen kann.

Screenshot Termine cyberlord

Wie man anhand des Screenshots erkennen kann, gibt es drei angebotene Termine in der Woche für die man sich in einen virtuellen Beraterraum einloggen kann. Diese Möglichkeit der Onlinetherapie sei aber nur am Rande erwähnt und fällt auch eher in den Bereich Online-Selbsthilfe.

Ich möchte mich heute mit diesem Forum auseinandersetzen und untersuchen welche Zusammenhänge zwischen Depression und Onlinesucht wahrgenommen werden.

Nach langem durchstöbern des Forums, wird deutlich, dass Betroffene und Angehörige die Depression immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen erwähnen. In diesem Thread zum Beispiel (hier) wird darüber diskutiert, ob Onlinesucht der Kompensation von Defiziten im realen Leben dient. Ein Gast hat hierzu eine ganz eindeutige Meinung:

Ich halte Onlinesucht sicherlich für real, doch ich würde sie eher mit einer Depression gleichsetzen. Der Computer ist dabei nur Mittel zum Zweck seine Probleme zu verdrängen. So sind viele nicht Stoffgebundene Süchte aufgebaut, es gibt da was wovor man wegläuft

Der Gast-Benutzer meint hiermit, dass man den Problemen online entflieht und sie wohl eher aus einer Depression resultieren. Zwar erkennt er die Onlinesucht an, sieht aber etwas anderes als den Auslöser und das Problem.

In einem weiteren Fall erklärt fleur2209 hier von den Eheproblemen mit ihrem Mann. Sie ist seit zwei Jahren verheiratet und lebt seit dem mit ihm zusammen. In dieser Zeit beginnt ihr Mann, der starkes Interesse an Frauen aufweist, Telefonkontakte zu knüpfen und eine art „Chat-Sucht“ aufzuweisen. Tagelang sperrt er sich in seinem Schlafzimmer ein und chattet mit anderen Frauen über sexuelle Inhalte. Obwohl sie in einem Forum für Onlinesucht um Hilfe bittet, scheint sie (nach Rücksprache mit einer befreundeten Therapeutin) davon überzeugt zu sein, dass ihr Mann manisch-depressiv sei, da es auch Phasen gäbe, in denen das Chatten und sein „merkwürdiges“ Verhalten pausieren würden:

Mein Rat, selbst eine Therapie zu beginnen, weil sein Verhalten manisch sei, wurde mit den Worten kommentiert, ihm ginge es doch gut. Körperhaltung, Mimik, Essverhalten und sonstiges Verhalten zeigen jedoch sehr deutlich, dass es ihm nicht nur körperlich schlecht geht

Fleur2209 rät ihm also zu einer Therapie gegen Depressionen, woraus sich schließen lässt, dass sie das exzessive Chatten ebenfalls als Verdrängung und Kompensation von wohlmöglich sexuellen Bedürfnissen sieht. Als Auslöser der Depression scheint für sie die Vergangenheit des Mannes beizutragen, die geprägt von familiären Problemen und dem Tod seiner sehr geliebten Großmutter war. (Leider erhielt sie zu ihrem Beitrag keine Antworten).

In einem anderen Thread möchte Joy sich der Onlinesucht stellen und fragt nach einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse (hier). Eine der Administratoren, gabriele_farke (auch Leiterin des Forums), beantwortet seine Frage:

die Therapie wird durch die meisten Therapeuten ueber „Begleiterscheinungen der Onlinesucht“ (Depressionen, psychosomatische Stoerungen, Essstoerungen oder aehnlichem) abgerechnet. Du kannst ihn/sie direkt danach fragen, so dass keine Kosten fuer Dich entstehen

Hieraus lässt sich erkennen, dass Onlinesucht 2006 (als der Thread aktiv war) noch schlechter einzuordnen war. Die Behandlung wurde beispielsweise unter Depression kategorisiert, wie man im Zitat erkennen kann. Inzwischen findet sich die Behandlung einer Internetsucht jedoch in den meisten Kliniken unter der Kategorie „abhängiges Verhalten und Suchtmedizin“ fest wieder. So wird als Beispiel beim Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim die Depression wiederum als begleitende Behandlung angeboten:

[…] daher können zusätzlich bestehende psychiatrische Erkrankungen (z. B. Depression) kompetent mitbehandelt werden

Auf gabriele_farkes Antwort geht Joy noch einmal genauer bezüglich seines Gesundheitszustandes ein:

Ich habe seit den Jahren schon viele Begleitungserscheinungen, die auch nicht nur durch die Onlinesucht herrühren. SVV, Selbsthass, psychischer, physischer Missbrauch, Depressionen hatte ich mal

Joy hat bzw. hatte noch mit weiteren psychischen Problemen zu kämpfen, die er nun anspricht. Etwas fraglich finde ich jedoch die Tatsache, woher er weiß, dass er eine Depression hat. Es geht nicht hervor, ob er sich diese hat diagnostizieren lassen oder ob er vielleicht auch durch seine Selbstverletzungen (SVV) daraus schließt, insbesondere weil er angibt erst 18 Jahre alt zu sein. Er ist zudem der Überzeugung, dass ein Psychologe ihm bei der Onlinesucht nicht helfen könnte und möchte explizit in eine Klinik. Das könnte zwar dafür sprechen, dass er sich schon einmal in psychologischer Behandlung befand, muss es aber nicht. Er geht auch davon aus, dass diese „Begleiterscheinungen“ nicht nur onlinesucht-bedingt sind.

Aus diesem Forum geht hervor, dass man nicht klar sagen kann, woher welche Krankheit rührt. Jeder Fall muss individuell betrachtet werden, um die Depression verorten zu können. Als eine explizit genannte Folge-/Begleiterscheinung kann man die Depression durch die Nutzer des Forums bestätigen. Nichtsdestotrotz frage ich mich aber, was diese User genau unter Depression verstehen. Sprechen sie davon, weil sie bestimmtes Verhalten, wie Isolation und Abschottung von sozialen Kontakten, an sich beobachten oder haben sie eine professionelle Diagnose erhalten (ob eine Diagnose im Endeffekt richtig und nötig ist, ist hierbei für mich jedoch eine ganz andere Frage)? Als Nicht-Mediziner scheint es nicht so einfach zu sein, zwischen den Symptomen und einer Krankheit zu differenzieren … womit wir fast schon wieder bei der Erfindung meines Begriffes „Online-Depression“ (siehe letzter Beitrag) wären.

Internetsucht und Depression – Was kam zuerst?

Es ist überall: das Internet. Wir können es überall hin mitnehmen, wenn uns ein entsprechend internetfähiges Widget zur Verfügung steht. Selbst wenn wir keine eigene Internetverbindung haben, stellt Starbucks und Co. WLAN bereit.

Was passiert, wenn sich diese etablierte Nutzungsgewohnheit zu einem täglichen Zwang entwickelt? Die Internetsucht (oder Online-Sucht) scheint ein immer größer werdendes Problem darzustellen. Zeitungen berichten bereits seit einigen Jahren darüber. Der Focus beispielsweise schrieb bereits vor 5 Jahren über die zusammenhängende Möglichkeit einer Depression bei Internetsüchtigen in seinem Artikel Internet-Junkies haben häufig Depressionen.

Aus dem Artikel geht hervor,

dass Menschen, die viel Zeit im Internet verbringen, häufiger an depressiven Symptomen leiden als Menschen, die das Netz nur gelegentlich nutzen

Das bedeutet also, dass das Internet nicht nur ein Segen ist, sondern es uns sogar schaden kann.

Dabei wird zwischen verschiedenen Internetsuchtformen unterschieden: Online-Sexsucht, Online-Spielsucht, der Sucht, ziellos im Internet zu surfen, Sucht nach Online-Rollenspielen und der Online-Kaufsucht [1]. Bei einer Studie zur Jugendgesundheitsforschung 2007 wiesen von 2942 Kindern mit erhöhtem Internetkonsum 5,4 % eine Depression auf. [2]

Mir ist aufgefallen, dass die Symptome eines Onlinesüchtigen und die eines Depressiven sich in vielen Punkten ähneln. So vernachlässigen Onlinesüchtige ihre alltäglichen Tätigkeiten, ihre sozialen Kontakte und sogar in drastischen Fällen sich selbst auch in Bezug der Hygiene. Sobald ein süchtiger Nutzer das Internet nicht benutzen konnte, beklagte er sich über Angst, Depressionen oder Schlafstörungen [3]. Auch Schlafstörungen und Ängste können sich bei einer Depression wiederum äußern. Die Symptome der körperlichen Beschwerden lassen sich bei beiden Erkrankungen bestimmen: Durch das ständige Sitzen vor dem Computer wird von Rückenschmerzen bis hin zu Übergewicht geklagt [4], so wie sich auch bei einer Depression körperliche Schmerzen bemerkbar machen können, je nach Typus.

Bei solch ähnlichen Symptomen stellt sich die Frage: Was war zuerst da? Es könnte ja auch sein, dass jemand zuerst an Depression litt und beispielsweise, um seinen alltäglichen Problemen zu entkommen, in die virtuellen Welten flieht. Die Wissenschaft ist sich dahingehend noch nicht einig, aber ich kann mir vorstellen, dass die Wahrscheinlichkeit für beide Möglichkeiten nahe liegt. Denn andersherum ist es auch vorstellbar, dass ein gesunder Mensch ein Problem mit seiner Internetnutzung bekommt und durch den Rückzug aus dem sozialen/realen Leben in eine Depression rutscht. Doch wenn man es mal distanzierter betrachtet, dann gibt es viele Menschen mit Suchtproblemen (zum Beispiel Alkohol), die als Folge ihrer Sucht eine Depression erleiden.[5]

Deshalb könnte man es vielleicht so zusammenfassen, dass man nicht den „Übeltäter“ Internet anprangert, sondern erkennt, dass ein neues Gefahrenpotential vorhanden ist. Medienaufklärung ist angesagter denn je, damit sich diese Sucht nicht ausbreiten kann. Wir brauchen in diesem Wirrwarr der Medienwelt, das uns vereinnahmen will, gesunde Abstände, die man durch bewusstes Leben erreichen kann. Die Menschen müssen ein besseres Bewusstsein für Verschwendung, Grenzen, dem Umfeld und sich selbst erlangen.

Meiner Meinung nach muss man sich stärker bewusst machen, was man tut, wie man was tut und warum man es tut. Die gleichen Symptome äußern sich in nur kleinen Aspekten anders, wie man bei den Vergleichen erkennen konnte. Je nach Auslöser der Folgekrankheit muss das zuerst entstandene Problem behandelt werden. Aber ironischer weise beginnt man automatisch auch die Depression zu bekämpfen, wenn man beginnt, sein Internetverhalten zu ändern und sich wieder mehr mit sich und seiner Umwelt beschäftigt. Bei beiden Krankheiten wird nämlich eine Verhaltenstherapie vorgeschlagen. Es ist also ein Teufelskreis aus Sucht-Problemen-Depression, der sich schließt und greift man folglich das eine an, reißt man das andere auf jeden Fall ein Stück mit. Sehr fraglich finde ich, dass Onlinesucht zwar therapiert wird, aber es nicht einmal als offizielle psychische Krankheit anerkannt ist. Hier wird auch wieder deutlich, wie schwer es eigentlich ist, bestimmte psychische Krankheiten zu erkennen und einzuordnen, beziehungsweise einzugrenzen.

Könnte man also nicht auch Online-Depression dazu sagen?

[1] Siehe: Schnorr, Angela: Neue Gefahren: Onlinesucht – Exzessive Internetnutzung, die psychisch krank macht. In: Jugendmedienforschung. Forschungsprogramme, Synopse, Perspektiven. Hrsg. von Angela Schnorr. Wiesbaden: VS Verlag 2009, S. 337.                                                                                [2] Vgl. ebd., S. 339.                                                                                                              [3]Vgl. ebd., S. 342.                                                                                                     [4]Onmeda.de                                                                                                                                                           [5]Netdoktor.de

Filmtipp: Kurzfilm Biopolar – A Narration of Manic Depression

Wie sehen diese Tage aus, an denen es einem gut geht? Man ist motiviert sich zu pflegen und aufzuhübschen. Man hat den Willen dazu, das Bett zu machen und die Blumen zu gießen, bevor sie noch ganz vertrocknen. Man geht wieder mal joggen und kommuniziert mit der Außenwelt, trifft vielleicht sogar Freunde.

Welche Kontraste bieten die schlechten Tage? Sie lieben das Bett, eine Höhle voller Kissen und weichem Untergrund, das einen fast verschluckt. Es dreht sich alles im Kreis – immer wieder zirkulieren die Gedanken, immer wieder zirkuliert man um sich selbst – in einer Distanz, die manchmal nicht größer ist als die Strecke Badezimmer-Schlafzimmer.

Genau diese extremen Kontraste zeigt der Kurzfilm Biopolar – A Narration of Manic Depression mit Visualisierungen in Form des Split Screens:

Screenshot Biopolar 2 screens Screenshot biopolar kontraste 2

Nach dem Motto „There are two sides of a story“ handelt die Geschichte von einem manisch-depressiven Schriftsteller und wird im Film durch die in zwei geteilten Situationen ausgedrückt. Die schlechten Tage sind besonders von dunklen Farben umgeben, die den Gefühlen Ausdruck verleihen; im Kontrast zu den guten Zeiten, an denen rege Aktitvität herrscht und helles Tageslicht den Raum durchflutet.

Meiner Meinung nach bringt der Film – durch diese besondere Visualisierung – sehr stark die Stimmungsschwankungen eines manisch-depressiven hervor und gibt die Möglichkeit die „Ups and Downs“ zu verfolgen, sowie nachzuempfinden. Gerade für das familiäre Umfeld, für das es so schwer sein kann, die Krankheit zu verstehen, könnte der Film helfen, ein bisschen besser damit umzugehen.

Kennt ihr den Film? Habt ihr vielleicht auch eine Serie/einen Film zu empfehlen, den Familien Betroffener schauen sollten?

Web Therapy – Private Einblicke einer Therapiesitzung

Vor einigen Wochen wurde ich auf die Serie „Web Therapy“ aufmerksam gemacht. Ich dachte mir: „Perfekt, passt zu meinem Abschnitt über Onlinetherapie“. Naja, nachdem ich mir jedoch die ersten drei Folgen anschaute, verfiel die Euphorie, zumindest was die Thematik der Depression betrifft. Nichtsdestotrotz findet sich in der Serie jedoch die Situation der Therapiesitzung wieder, die ich mir mal genauer angeschaut habe.

Zunächst ein paar Short Facts zur Serie:

Web Therapy ist ursprünglich eine Web-Show gewesen, die jede Folge eine Therapiesitzung mit der Psychotherapeutin Fiona Wallice (gespielt von Lisa Kudrow) behandelt; durch den Erfolg im Internet wurde sie später zu einer TV-Serie. Die Serie heißt jedoch nicht Web Therapy, weil sie als Web-Show konzipiert war, sondern es handelt sich hierbei um Sitzungen, die per Videochat abgehalten werden. Fiona entscheidet sich in dieser Comedy-Serie von ihren normalen, 50-minütigen Sitzungen zur drei-Minuten-Onlinetherapie zu wechseln mit der Begründung, dass das Essentielle bei einer Sitzung in nur drei Minuten besprochen wird, während der Rest der Zeit nur „Geschwafel“ sei. Alle Folgen könnt ihr kostenlos unter MyVideo.de anschauen.

Anders als ein reines Programm, wie man es zum Beispiel bei Novego.de nutzen kann, findet die Therapie in direktem Live-Kontakt mit der Therapeutin statt. Der Unterschied zu einer realen „Vor-Ort“-Sitzung entsteht hierbei zum einen durch den Einsatz von Technik und dem Internet als Kommunikationsbasis und zum anderen befinden sich die Patienten selbst an verschiedenen Orten. Sie sitzen nicht nur zu Hause an ihrem Schreibtisch, auf der Couch am Laptop usw., sondern auch mal im Büro während der Mittagspause.

Wie die Überschrift dieses Beitrags bereits sagt, bietet die Serie die Möglichkeit, sehr direkt an den Therapiesitzungen teilzunehmen oder zumindest wirkt es als würde man als stiller Zuschauer mit dabei sein. Woran liegt das?

Zu Beginn der ersten Folge richtet Fiona ihr neues Büro zu Hause ein, indem sie durch Kunstwerke und Statuen einen modernen „Wohlfühlraum“ entstehen lässt, wie wir ihn von typischen Therapiezimmern in Filmen kennen. Man wird dadurch in die „Raumsituation“ eingeführt und erlebt das letzte Einrichten mit. Dann probt sie die Webcam-Gespräch-Situation mit ihrem Mann. Die Anfangsszene ist ganz entscheidend meiner Meinung nach, weil die Webcam-Sitzungen immer im gleichen, erprobten Stil visualisiert werden:

Screenshot beide Chats

Der Screenshot zeigt den Desktop der Therapeutin, auf dem die zwei Videoübertragungen zu sehen sind. Links der Ehemann (welcher natürlich später ein Patient sein wird) und rechts Fiona in ihrer täglichen Arbeitssituation. Sie wird bei jeder Sitzung genau vor diesem Hintergrund ihres Bürozimmers zu sehen sein. Doch diese Perspektive erlaubt uns noch mehr zu erkennen, so sieht man hinter den Videochat-Fenstern Fionas privaten Dokumente, die sie auf dem Desktop gespeichert hat. Sogar was für einen Laptop sie besitzt kann man erkennen: einen Mac von Apple. Wer sich mit Programmen wie Skype auskennt, den könnte dies auch an eine Dreierkonferenz erinnern:

skype-video-konferenz_5374d7fe

Gerade bei einer Konferenz ab drei Personen schalte ich persönlich die Funktion ab mich selbst in einem kleinen Bild zu sehen, sodass ich dieselbe Perspektive wie in Web Therapy habe. Es fehlt im Prinzip nur noch, dass der Zuschauer direkt angesprochen wird.

Die Kameraeinstellung switcht auch mal auf ein Vollbild, was ebenfalls den Anschein erweckt, als würde der Zuschauer mit der im Vollbild stehenden Person kommunizieren und in die Augen geschaut werden:

Vollbild 2 Vollbild 3 Vollbild Therapeutin

Die private Situation des Patienten gibt durch das Setting seiner Wohnung oder des Arbeitsplatzes Aufschluss über den Patienten, da er einen intimen Blick seines persönlichen Umfelds bietet.

All diese Faktoren der privatisierten Darstellung über die Webcam und die spezielle Kameraführung lassen einen gewissermaßen direkt bei der Therapiesitzung dabei sein.

Kennt ihr die Show und habt dieselbe Erfahrung gemacht?

Wahrnehmen und Empfinden

Nachdem sich die Thematik meines Blogs mit der Zeit spezifiziert hat, habe ich beschlossen den Namen abzuändern und ihn dem Blog gemäß anzupassen: Depression in den Medien – an Beispielen aus, in und um das Internet. Aber das nur am Rande.

Ich habe mich gefragt, wie Menschen die Onlinetherapie wahrnehmen, da ich mich weder hundertprozentig in einen Depressiven einfühlen kann und auch keine persönlichen Erfahrungen mit Psychotherapie habe. Deshalb hier ein paar Stimmen aus dem Netz:

Natürlich wäre dies auch im Rahmen einer normalen „Sprechzimmertherapie“ möglich gewesen, da ich aber Vollzeit berufstätig bin trotz Depression schaffe ich es, nach aussen hin noch zu „funktionieren“ und vermeiden wollte, bei meinem Arbeitgeber durch regelmässige Abwesenheiten aufzufallen, hoffte ich, die Therapie „nebenher“ machen zu können.[1]
Dieser Kommentar ist von einer Dame, die ein ganzes Interview zu der Thematik in einer Fachzeitschrift für Psychiatrie gibt. Sie spricht die Problematik der manchmal fehlenden Zeit an und kann insgesamt jedoch nur Positives über die Therapie sagen. Interessant ist, dass sie durch die Arbeit, bei der sie „funktioniert“, wohl der vollständigen Isolation durch Depression entgeht (Isolation entsteht ja natürlich auch nicht immer, aber unbewusst kann die Arbeit vielleicht als ein kleiner Anker fungieren). Wie es sich mit sozialen Kontakten verhält wird jedoch nicht erwähnt. Mit Psychotherapeuten hat sie im Gegenzug schlechtere Erfahrungen gemacht, besonders im Punkt der Nachhaltigkeit, da sie immer wieder von Rückfällen betroffen war.
Ausserdem war es für mich angenehm, kein sichtbares Gegenüber zu haben. Wenn man es gewohnt ist, eine Fassade aufrecht zu erhalten, ist es unangenehm, wenn man durch bestimmte Fragen oder Aufgaben so aufgewühlt wird, dass die Tränen kommen. Das war online natürlich gar kein Problem. Ich konnte im Pyjama meine Aufgaben bearbeiten, zwischen durch Rotz und Wasser heulen und musste mir keine Gedanken machen, was die Therapeutin vielleicht über mich denken [2]
Die niedrigere Hemmschwelle, die ich ein paar Beiträge vorher nannte, wird hier angesprochen. Die Interviewte zieht einen Nutzen daraus, nicht Face-to-Face kommunizieren zu müssen und ihr scheint der Faktor „Bequemlichkeit“ wichtig zu sein bzw. zu gefallen.
In einem Forum finde ich einige Kommentare von Teilnehmern einer Studie von Deprexis (einer Onlinetherapie-Seite):
Ansonsten fand ich es nicht schlecht – viele Tipps und Anregungen aber man sollte den Schweinehund überwinden und sie anwenden -nur das fällt mir momentan schwer [3]
Hier wird das A und O einer Therapie angesprochen, sogar unabhängig davon, ob online oder persönlich: Mitarbeit. Das scheint mir doch die größte Überwindung zu sein, nach dem Schritt, sich für eine Therapie zu entscheiden und seine Krankheit zu erkennen. Das Erfüllen der Aufgaben oder der Gang zum Psychologen kann, je nach Zustand, schnell mal vernachlässigt oder vielleicht sogar als Zwang empfunden werden. Ich denke, dass man ohne eine kontinuierliche Auseinandersetzung – gerade bei einer kognitiven Verhaltenstherapie – weder so einfach seine Denkmuster überarbeiten noch seine Schritt- für-Schritt-Entwicklung verfolgen kann.
Ich fand es eine schöne Beschäftigung für die vielen Tage im Bett. Aber auch sehr anstrengend die vielen Texte zu lesen [4]
Neben der Zeit, der Bequemlichkeit und der Vermeidung von persönlichen Gesprächen kann die Onlinetherapie Beschäftigung bieten. Teilweise sogar mehr als nur der wöchentliche Gang zum Therapeuten. Vielleicht wäre dies auch ein Grund, sich für eine begleitende Therapie online zu entscheiden; als „Lückenfüller“ könnten Programme mit täglichen Motivationstipps und -übungen die Kontinuität stützen. Aber: Eine Gefahr erkenne ich auch beim Online-Modell, nämlich bei Personen, die vielleicht keiner tägliche „Pflicht“ wie Arbeit oder Schule/Uni etc. nachgehen (können). Hier besteht das Problem, dass man in seinem Trott versinkt und gar keinen Grund mehr hat, das Haus zu verlassen.
Seht ihr Gefahren in der Onlinetherapie oder gebt ihr dem Ganzen nicht so ein starkes Gewicht?

[1] Interview in Pro Mente Sana
[2] Ebd.

Ein Video, statt tausend Worte – Novego und Onlinetherapie

Bei den Recherchen zu Onlinetherapien in Zusammenhang mit Depression kristallisiert sich (besonders) in Foreneinträgen eine dominante Meinung heraus: Onlinetherapie kann keinen Psychotherapeuten ersetzen. Dies kann ich mir durchaus vorstellen. Bei der Frage „Was kann ich zu Hause dagegen tun?“, ist die Online-Methode jedoch ein eindeutiger Ersatz gegen das Nichtstun.

Deshalb möchte ich mich heute mit Novego.de beschäftigen und verfolge dabei folgende Frage: Welche Merkmale könnten einen Depressiven dazu bringen, den Dienst zu nutzen?

Als zertifizierte Medizinseite soll Novego fachliche Unterstützung bieten. Eine 12-wöchige Begleitung erfolgt durch 12 Module, die man nach und nach „individuell“ bearbeiten kann, wie die Seite bewirbt. Um ein zwanghaftes Gefühl oder Druck zu vermeiden, hat man also die Möglichkei,t innerhalb der Woche frei über die Geschwindigkeit der Therapie zu bestimmen. Auf Basis der Verhaltenstherapie soll man sich mit sich selbst und seinen (negativen) Gedanken auseinandersetzen.

Am prägnantesten sticht ein Video auf der Website heraus, mit dem ich mich in diesem Eintrag hauptsächlich befassen werde. Denn statt sich einzulesen, nutzt man aus Bequemlichkeit natürlich die Videofunktion, um sich einen ersten Überblick über die Seite zu verschaffen:

Das Video entpuppt sich auf den ersten Blick nicht als Werbevideo für den Online-Dienst, sondern tastet sich durch Beschreibung entstehender Gefühle bei Depression an die Thematik heran.

Zu sehen ist ein Mann reifen Alters, der eine Geschichte erzählt. Er steht vor einem nach außen bläulich werdenden Hintergrund und trägt ein dazu passendes hellblaues Hemd. Die blaue Farbgestaltung erinnert an das Wasser, den Himmel und soll somit eine „innere Ruhe“ bewirken und Klarheit symbolisieren. Im Ganzen handelt es sich um eine einfach strukturierte und simple Konzeption. Ich kann mir vorstellen, dass es auf einen depressiven Menschen zuversichtlich und beruhigend wirkt, wenn seine eigenen Gedanken wohl eher ungeordnet, negativ und zerstreut sind.

In der Erzählung spricht der Darsteller den Zuschauer direkt an und beschreibt ihm das „Murmeltier“, das sich in seinem Magen zusammenwölbt oder wie ein „Kloß im Hals“ feststeckt. Das Murmeltier steht hierbei symbolisch für die Depression oder einfacher gesagt für die negativen Gedanken und Gefühle, die mit der Krankheit einhergehen. Der Erkrankte kann direkt eine Verbindung aufbauen, da er sich mit dem genannten Inhalt identifizieren kann. Das Murmeltier scheint jedoch nicht zufällig gewählt, denn es ist zudem eine Metapher für das sich ständig Wiederholende, wie der ständige Begleiter negativer Gedanken, die sich im Kreis drehen und immer wieder aufs Neue aufkommen. Als ein Tier, das für seinen ausgiebigen Winterschlaf bekannt ist, wird es mit „faul“ und „träge“ assoziiert; eine Trägheit, die auch eine Depression mit sich ziehen kann. Noch interessanter in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass viele Depressive selbst das Murmeltier als Beschreibung nutzen, wie man an diesem Google-Screenshot (Suche: Murmeltier und Depression) schnell überblicken kann:


Screenshot Google Murmeltier


Man soll, laut Video, das Murmeltier „einfangen“ und es wachsen lassen, bis es bereit ist in die weite Welt hinauszugehen. Es soll nicht bekämpft, sondern integriert werden, bis man loslassen kann. Dies deutet auf die Auseinandersetzung mit seinem Selbst und der Bewältigung seiner Probleme und negativen Gedanken hin.

Zu guter Letzt natürlich auch die Anmerkung, dass man diesen Prozess mithilfe von Novego schaffen kann. Natürlich, sonst wäre es ja eine Geschichte und kein Werbevideo 😉

Durch geschickte Emotionalisierung spielt das Video mit den Merkmalen der Krankheit und bewirkt dadurch eine direkte Ansprache bei dem Betroffenen. Der gesamte Webauftritt wirkt seriös und erhält durch Features wie das Video einen qualitativ hochwertigen Anschein. Mit 177 Euro Basis-Preis wird meiner Meinung nach trotzdem nicht ersichtlich, welche Dienste die Seite genau anbietet. Aber dafür sind dann wohl die angebotenen 14 Tage Probezeit da. Das Video allein reicht natürlich nicht zu einer umfassenden Analyse der gesamten Website, es sollte nur als Teil der Werbekonzeption betrachtet werden.

In diesem Zusammenhang wäre es sehr interessant zu erfahren: Welche Kriterien wären für euch wichtig, um sich auf einen kostenpflichtigen Onlinedienst einzulassen? Inwieweit spielt das Design bzw. der Webauftritt eine Rolle?

Kann das Internet eine Psychotherapie ersetzen?

Ich bin auf der Recherche nach einem ganz anderen Thema auf die Online-Therapie gestoßen. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt! Und um ehrlich zu sein, hätte ich nicht gedacht, dass so eine Behandlung wohl sogar Erfolge erzielen kann…

In einem Bericht vom Stern-Online (hier) erfahre ich, dass es verschiedene Formen der Online-Therapie bei Depressionen gibt: 1. Onlineprogramme, die ohne einen realen Psychotherapeuten arbeiten oder 2. eine reine E-Mail Beratung durch einen Therapeuten und, zu guter Letzt, 3. eine Mischform, bei der ein Programm und ein Psychotherapeut gemeinsam arbeiten.
Wenn ich jetzt nochmal ein bisschen länger darüber nachdenke, dann könnte es ja doch Sinn ergeben; gerade bei Menschen, die sich so stark von der Gesellschaft isoliert haben, dass ihnen das Rausgehen schwerfällt und/oder sie eventuell sogar unter Ängsten in der Öffentlichkeit leiden. Geschätzt 350 Millionen Menschen weltweit leiden nämlich unter Depressionen und rund 50 % von ihnen werden nicht behandelt (siehe dazu: Video im vorherigen Beitrag). Bei solchen alarmierenden Zahlen könnte ich mir eine Online-Therapie zumindest effizienter vorstellen als gar keine Behandlung.
Einen wissenschaftlich fundierten Vorteil gegenüber einer üblichen Therapie erklärt Dr. Christiane Eichenberg in der Novemberausgabe des Psychotherapeut von 2011 (lizenzbedingt hier abrufbar): „Hoch brisante und prekäre Themen werden im Vergleich zum Face-to-face-Setting schneller angesprochen bzw. können manchmal überhaupt nur im virtuellen Raum ausgesprochen werden“. Dies könnte auch wissenschaftlich den Erfolg der #notjustsad-Aktion auf Twitter erklären (siehe dazu meine zwei vorherigen Beiträge). Die geringere Hemmschwelle, sich eher im Internet frei auszudrücken oder zu offenbaren, wird auch von den Twitterern thematisiert.
Natürlich bietet die Therapie im Internet nicht nur Vorteile, denn ein Problem ist zum Beispiel, eine sorgfältige Diagnose zu stellen, welche bei einer Online-Therapie nicht immer gegeben ist. Nichtsdestotrotz ist der allgemeine Erfolg von diesen Therapien wissenschaftlich erforscht und tatsächlich sogar bewiesen.
Diese Form der Therapie lässt zudem auf den Einfluss von Medien in der Medizin schließen: Durch die veränderte Mediennutzung der Menschen passt auch der medizinische Sektor seine Möglichkeiten an. Ein konkretes Beispiel ist, dass Therapeuten sich mit digitalen Angeboten auseinandersetzen, um moderne Kommunikation/Therapie per E-Mail anzubieten.
Ausgehend von dem großen Problem, dass man manchmal monatelang auf einen Termin für eine Sitzung beim Psychotherapeuten warten muss, sehe ich einen durchaus großen Vorteil darin, die Online-Variante zu nutzen; sei es um die Zeit zu überbrücken oder generell begleitend zu anderen Maßnahmen.

Habt ihr Erfahrungen mit Online-Therapie? Was haltet ihr davon?